14. September 2015

Artgerechte Schweinehaltung im Wald


Auf einem Informationschild der Bayerischen Forstverwaltung sieht man die Novemberszene im Stundenbuch Très Riches Heures des Duc de Berry, der berühmtesten Buchmalerei des französischen Mittelalters. Sie zeigt den Austrieb der Schweine in den Wald als Sinnbild des Herbstes. 

Die Eichelmast war in Mitteleuropa eine bis ins 19. Jahrhundert weitverbreitete landwirtschaftliche Praxis. Hausschweine wurden in die Eichen- und Buchenwälder getrieben, damit sie sich dort an den Eicheln und Eckern satt fraßen. Damit wurde ein kerniges Fleisch erzeugt, das sich besonders für die Haltbarmachung durch Räuchern eignete. Die Schweine durchwühlen den Boden nach essbaren Wurzeln, Würmern, Schnecken, Insekten und Kleinsäugetieren. Bei der Suche nach Nahrung verwühlen sie einen Teil der auf dem Boden liegenden Eicheln und verschaffen ihnen so bessere Keimbedingungen. Die Waldweide durch Schweine hat dadurch auch durchaus positive Auswirkungen für den Wald.

Lichte „Hutewälder“ aus Eichen, aber auch Buchen und Kastanien, gehörten seit dem Mittelalter zum typischen Landschaftsbild. Sie sind heute selten geworden, haben aber eine hohe ökologische Bedeutung und stehen oft unter Naturschutz.
Die alten Eichen und Buchen dienen mit ihrem hohen Totholzanteil vielen seltenen Tierarten, wie z. B. dem Hirschkäfer und einer Vielzahl von anderen Tieren als Lebensraum.


So ähnlich könnte ein ehemaliger Hutewald für die herbstliche Schweinemast mit seinen uralten Eichen heute aussehen


 
Hirschkäfer kennt wohl jeder – das sind aber fast immer Männchen.
Hier ein Weibchen, ebenfalls ein stattliches Tier, ohne die es keine Männchen mit ihren eindrucksvollen Zangen gäbe. Fotografiert in der Nähe eines ehemaligen Hutewaldes mit mächtigen Eichen und viel Totholz.


Heute noch bekannt ist die Eichelmast in Südspanien und Portugal bei dem oft halbwild gehaltenen und in Korkeichen- und Steineichenhainen gemästeten Iberischen Schwein, das den bekannten iberischen Eichelschinken (Jamón Ibérico de Bellota) liefert.
Auch in Mittelitalien und Kroatien ist die Eichelmast für Schweine eine wichtige Säule der Landwirtschaft. 



Auf den Eichen wachsen die besten Schinken – unter diesem Motto entstand 2003 die erste deutsche Eichelmasthaltung von Schweinen in Unterfranken bei der Stadt Iphofen.

Inzwischen sind in mehreren Regionen in Deutschland - auch bei uns in Mittelfranken erfolgreiche Versuche mit der Schweinemast im Wald gemacht worden. Ich will hier aber nicht für die Gourmets sprechen oder für die Forstwirtschaft, hier möchte ich nur berichten, wie ich mich als Tierfreundin gefreut habe, solche weitgehend artgerecht gehaltenen Schweine im Wald anzutreffen, die mit ihrem Leben sehr zufrieden schienen. Sie wühlten zusammen mit einem Kumpel im Boden, lagen in Zweier- oder Dreiergruppen im Schatten und genossen das frische Wasser, das der Landwirt ihnen gerade brachte. 

 
 Schweinehaltung im Wald in Oberlaimbach


Es gibt viele Tierfreunde, die nicht nur Hunde und Katzen lieben, sondern auch Nutztiere, die aber nicht auf Fleisch verzichten wollen. Für sie wäre das Fleisch von diesen Schweinen eine akzeptable Alternative. Die Schweine haben nicht nur ein artgerechteres, angenehmeres, sondern auch ein längeres Leben. Je nachdem in welchem Alter die Haltung im Wald beginnt und wie viel zugefüttert wird, dauert die Mast länger als im Stall und damit auch das Leben der Schweine. 


 Mittleres Schwein:
Cornwall-Schwein gekreuzt mit Deutschem Edelschwein – daher gefleckt 



Die „Initiative Tierwohl“ die in der zweiten Jahreshälfte 2014 gestartet wurde und zunächst für drei Jahre angelegt ist, ist ein Versuch, die Schweinehaltung zu verbessern. Landwirte und der Lebensmitteleinzelhandel werben damit, dass sie daran teilnehmen. Letzterer zahlt pro verkauftem Kilogramm Fleisch, vier Cent in einen Fonds – im Jahr 100 Millionen – das Geld kommt jenen Schweinehaltern zugute, die damit die gesetzlich vorgeschriebenen Haltungsbedingungen verbessern, wenn sie  ihren Tieren mehr Platz als üblich bieten, Auslauf gewähren und die Gelegenheit geben, sich zu beschäftigen, zu wühlen oder zu scheuern, aus einer offenen Tränke zu trinken oder Stroh in der Box zu haben. Gesetzlich vorgeschrieben ist für ein Schwein z. B. eine Fläche von 0,75 m² pro Schwein, sie kann dann auf 0,90m² erweitert werden. Welch eine armselige Verbesserung für das Schwein, welch ein Armutszeugnis für den Tierschutz, dass man solche Verbesserungen nicht gesetzlich durchsetzten kann, sondern erkaufen muss.



Ein Schwein labt sich in der Sommerhitze an dem frischen Nass
Dr. Beate Buer-Weber